Vortrag von Prof. Haszprunar

Die Naturwissenschaften – Der liebe Gott – Und das Leid

Wenn es einen gütigen und allmächtigen Gott gibt, warum lässt er dann so viel Leid zu? Diese als „Theodizee“ bekannte Frage, die schon Hiob im Alten Testament gestellt hat, beschäftigt immer noch Menschen. Im Buch Hiob erleidet die Hauptfigur Schicksalsschläge: Verlust von Hab und Gut, Tod der Kinder und eine schwere Erkrankung. Hiob kann mit den gängigen Antwortversuchen nichts anfangen, gibt aber seinen Glauben nicht auf. Schließlich klagt er Gott an und muss sich von Gott fragen lassen, ob er bei der Schöpfung dabei war und deren Gesetze wirklich kennt.

Gerhard Haszprunar, Professor für Systematische Zoologie an der Ludwig-Maximilian-Universität, ging in seinem Abendvortrag zur Theodizee an unserer Schule vom Buch Hiob aus und stellte Lösungsversuche aus der Theologie und Philosophie vor. Als Naturwissenschaftler zeigte er auch Zugänge aus dem Blickwinkel der Evolutionsbiologie und der Quantenphysik zur Beantwortung der Frage nach dem Leid auf: Durch zahlreiche Experimente konnte festgestellt werden, dass der Ablauf des Weltgeschehens prinzipiell nicht vorherbestimmt ist. Das bedeutet aber nicht Chaos. Jedes Zufallsereignis weist naturgesetzliche Rahmenbedingungen auf. Zum Beispiel ist der Aufbau eines Schneekristalls immer hexagonal.

Eine indeterminierte Welt ist die Voraussetzung für unseren freien Willen. Wenn Gott tatsächlich die Liebe selbst ist – der Ausgangspunkt der Theodizee – dann hat eine liebende Allmächtigkeit einen Beweis für diese Liebe: sich wie eine liebende Mutter oder ein liebender Vater zurück zu nehmen und der geliebten Schöpfung einschließlich des Menschen Freiheit zu gewähren. Leid, das durch Katastrophen oder durch Menschen hervorgerufen wird, erscheint in diesem Konzept als unvermeidliche Folge. Nun stellt sich die Frage, ob Gott durch die gewährte Freiheit leidende Menschen im Stich lässt. Nein, er identifiziert sich mit den Leidenden: „Was ihr einen der geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40).

Die zahlreichen Fragen nach der Präsentation zeigten, dass Prof. Haszprunar das Interesse der Besucher/-innen geweckt hatte. Die Fachschaft Religion wurde von Gästen ermuntert, weitere Vorträge mit theologischen oder philosophischen Themen anzubieten.